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BVerfG: Zum Schutz vor Zwangsräumung der Mietwohnung bei gesundheitlichen Gefahren


20. Juni 2023 |

Das Bundesverfassungsgericht legt mit dieser Entscheidung grundrechtliche Maßstäbe fest für den Vollstreckungsschutz bei einer drohenden Zwangsräumung. Aus Rn. 39 bis 47 des Beschlusses:

Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO  (…) die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. (Rn. 39 S. 1) Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist. (Rn. 39 S. 2)
Macht der Schuldner für den Fall einer Zwangsräumung substantiiert ihm drohende schwerwiegende Gesundheitsgefahren geltend, haben sich die Vollstreckungsgerichte (…) regelmäßig mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden sind. (vgl. Rn. 44) Dabei hat das Vollstreckungsgericht selbst zu prüfen, wie einer Gefahr für Leib und Leben gegebenenfalls zu begegnen ist. Es darf diese Prüfung nicht Dritten (Betreuungsbehörde oder Gemeinde) überantworten. (vgl. Rn. 47) Das Vollstreckungsgericht kann die Vollstreckung „einstweilen anhalten“, bis eine Begutachtung erfolgt ist; es kann dazu nach § 765a Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 732 Abs. 2 ZPO eine einstweilige Anordung erlassen. (vgl. Rn. 46).
BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 23.03.2023 – 2 BvR 1507/22