BGH: Zur Bestimmung des pfandfreien Betrags nach § 850d Absatz 1 ZPO
§ 850d Abs. 1 Satz 2 ZPO ist dahin auszulegen, dass bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags die laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten des Schuldners gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten nur in dem Umfang zu berücksichtigen sind, in dem der Schuldner seine gesetzlichen Unterhaltspflichten den weiteren Unterhaltsberechtigten gegenüber erfüllt (…). (Leitsatz des BGH)
Der Bundesgerichtshof ändert hiermit seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2010, wonach eine nur teilweise Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflichten bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags in vollem Umfang zu berücksichtigen war.
Sachverhalt: Der Gläubiger betreibt wegen seiner Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner, seinen Vater, die Zwangsvollstreckung aus einer Jugendamtsurkunde. Der Schuldner ist einem weiteren Kind zu Unterhalt verpflichtet. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss berücksichtigt diese weitere Unterhaltspflicht des Schuldners nicht in der sich aus dem Gesetz ergebenden Höhe, sondern nur in Höhe des tatsächlich geleisteten – geringeren – Unterhalts für dieses Kind. Dagegen wendet sich der Schuldner.
Auszüge aus den Gründen: Betreibt der Gläubiger gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen Unterhaltsansprüchen im Sinne des § 850d ZPO, ist dem Schuldner gemäß § 850d Absatz 1 Satz 2 ZPO so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf (Rn. 13).
Die Interessen der Unterhaltsgläubiger im Vollstreckungsrecht genießen dabei einen hohen Schutz. So ist das Einkommen des Schuldners ohne die Beschränkungen des § 850c ZPO pfändbar und dem Schuldner ist für den eigenen Bedarf ein Betrag nur insoweit pfandfrei zu belassen, als es sich um
notwendigen Unterhalt handelt (Rn. 18 – hier für den Schuldner selbst: 960,13 Euro, Rn. 3). Dabei sollen die dem vollstreckenden Unterhaltsgläubiger vorrangigen oder gleichstehenden Unterhaltsberechtigten durch die Vollstreckung nicht benachteiligt werden. Dieser Zweck erfordert es nicht, bei der Bestimmung des pfandfreien Betrags auf den Betrag abzustellen, der zur Erfüllung der laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten potentiell erforderlich wäre (vgl. Rn. 19). Die Möglichkeit, dass der Schuldner künftig durch freiwillige Leistungen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht gegenüber den weiteren Unterhaltsberechtigten in größerem Umfang nachkommen könnte, wird hierdurch nicht ausgeschlossen und kann über § 850g Satz 1 ZPO verwirklicht werden (vgl. Rn. 20).
BGH, Beschluss vom 18.01.2023 – VII ZB 35/20